Buch:Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland: Unterschied zwischen den Versionen
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Dergleichen Beispiele von der Härte und Grausamkeit mittelalterlicher Justiz ließen sich viele anführen. Sie werden nur überboten durch die Schrecken der ''Hexenprozesse''. Wie ganz anders, ein leuchtendes Vorbild echter Volksjustiz, erscheinen ihnen gegenüber die ''Vehmgerichte''. Von beiden reden die folgenden Blätter. | Dergleichen Beispiele von der Härte und Grausamkeit mittelalterlicher Justiz ließen sich viele anführen. Sie werden nur überboten durch die Schrecken der ''Hexenprozesse''. Wie ganz anders, ein leuchtendes Vorbild echter Volksjustiz, erscheinen ihnen gegenüber die ''Vehmgerichte''. Von beiden reden die folgenden Blätter. | ||
'''<big>Erste Abteilung. Die Vehmgerichte.</big>''' | == '''<big>Erste Abteilung. Die Vehmgerichte.</big>''' == | ||
== Erster Abschnitt. Zwei Erzählungen. == | === Erster Abschnitt. Zwei Erzählungen. === | ||
=== I. Auf roter Erde. === | ==== I. Auf roter Erde. ==== | ||
Die üppigen Kornfelder reiften der Ernte entgegen. Auf den stattlichen Bauerhöfen, unter dem Schatten der Eichen und Linden entfaltete sich reges Leben. Es war zu Anfang Juli im Jahr 1425. Die hellstrahlende Morgensonne hatte schon den Tau von den Wiesen genommen, die Lerchen jubelten unter dem blauen Himmel. | Die üppigen Kornfelder reiften der Ernte entgegen. Auf den stattlichen Bauerhöfen, unter dem Schatten der Eichen und Linden entfaltete sich reges Leben. Es war zu Anfang Juli im Jahr 1425. Die hellstrahlende Morgensonne hatte schon den Tau von den Wiesen genommen, die Lerchen jubelten unter dem blauen Himmel. | ||
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Tucher forderte jetzt den Friedrich von Eberbach und Konrad Oilpe auf, noch mit der Frau Bürgermeisterin anzustoßen, die sich denn auch bald mit den Fremden im Gespräch befand. Als von der Reise Pferingers nach Westfalen die Rede war, meinte Eberbach scherzend, vorher müsse er sich versichern, ob seine junge Frau nicht neugierig sei, da er ja, wolle er wissend werden, mit hohem Eidschwur sein Leben verpfände, das Geheimnis der Vehme geheim zu halten »vor Weib und Kind, vor Sand und Wind«. Aber die Bürgermeisterin entgegnete: damit habe es keine Gefahr, dafür sei ihr Gemahl selbst Manns genug. Uebrigens sei sie die Tochter eines Freischöffen und werde es für hohe Ehre achten, auch eines Wissenden Frau zu sein. | Tucher forderte jetzt den Friedrich von Eberbach und Konrad Oilpe auf, noch mit der Frau Bürgermeisterin anzustoßen, die sich denn auch bald mit den Fremden im Gespräch befand. Als von der Reise Pferingers nach Westfalen die Rede war, meinte Eberbach scherzend, vorher müsse er sich versichern, ob seine junge Frau nicht neugierig sei, da er ja, wolle er wissend werden, mit hohem Eidschwur sein Leben verpfände, das Geheimnis der Vehme geheim zu halten »vor Weib und Kind, vor Sand und Wind«. Aber die Bürgermeisterin entgegnete: damit habe es keine Gefahr, dafür sei ihr Gemahl selbst Manns genug. Uebrigens sei sie die Tochter eines Freischöffen und werde es für hohe Ehre achten, auch eines Wissenden Frau zu sein. | ||
== Zweiter Abschnitt. Ursprung und Verfahren der Vehmgerichte. == | |||
Noch heute sind vielfach die abenteuerlichsten Vorstellungen von den mittelalterlichen Vehmgerichten verbreitet. Man erzählt schauerliche und unheimliche Geschichten, wie sie bei Nacht, in unterirdischen Gewölben oder im Waldesdickicht unter allerlei Vermummung und furchterregenden Gebräuchen ihre Sitzungen gehalten und mit grausamen Foltern und Strafen ihre Opfer gepeinigt, oder ihre Gefangenen in entsetzlichen Kerkern hätten verschmachten lassen. | Noch heute sind vielfach die abenteuerlichsten Vorstellungen von den mittelalterlichen Vehmgerichten verbreitet. Man erzählt schauerliche und unheimliche Geschichten, wie sie bei Nacht, in unterirdischen Gewölben oder im Waldesdickicht unter allerlei Vermummung und furchterregenden Gebräuchen ihre Sitzungen gehalten und mit grausamen Foltern und Strafen ihre Opfer gepeinigt, oder ihre Gefangenen in entsetzlichen Kerkern hätten verschmachten lassen. | ||
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Die Mißbräuche, welche zu den vielfachsten Beschwerden Anlaß gaben, veranlaßten den Kaiser, daß er einer Reihe von Städten das Privilegium erteilte, nicht mehr vor ein Freigericht geladen werden zu können. Solche Exemtionen wurden bald auf ganze Territorien erstreckt. Mit der Erstarkung der landesherrlichen Gewalt und der Besserung in der allgemeinen Rechtssicherheit war ohnehin die innere Berechtigung der westfälischen Jurisdiktion für das übrige Deutschland gefallen. So schwand denn auch ihre Bedeutung schon im Lauf des sechzehnten Jahrhunderts fast völlig dahin. Die Vehmgerichte sind nie durch allgemeines Gesetz abgeschafft worden, aber die Geschichte hat ihren Niedergang und ihr Erlöschen zu verzeichnen, denn sie hatten ihren Dienst gethan. | Die Mißbräuche, welche zu den vielfachsten Beschwerden Anlaß gaben, veranlaßten den Kaiser, daß er einer Reihe von Städten das Privilegium erteilte, nicht mehr vor ein Freigericht geladen werden zu können. Solche Exemtionen wurden bald auf ganze Territorien erstreckt. Mit der Erstarkung der landesherrlichen Gewalt und der Besserung in der allgemeinen Rechtssicherheit war ohnehin die innere Berechtigung der westfälischen Jurisdiktion für das übrige Deutschland gefallen. So schwand denn auch ihre Bedeutung schon im Lauf des sechzehnten Jahrhunderts fast völlig dahin. Die Vehmgerichte sind nie durch allgemeines Gesetz abgeschafft worden, aber die Geschichte hat ihren Niedergang und ihr Erlöschen zu verzeichnen, denn sie hatten ihren Dienst gethan. | ||
= Zweite Abteilung. Die Hexenprozesse. = | == '''<big>Zweite Abteilung. Die Hexenprozesse.</big>''' == | ||
=== Erster Abschnitt. Das Hexenwesen. === | === Erster Abschnitt. Das Hexenwesen. === |