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(Zuerst veröffentlicht in "Die hungrige Stadt", 2. Auflage, Berlin 1928) | (Zuerst veröffentlicht in "Die hungrige Stadt", 2. Auflage, Berlin 1928) | ||
Aus der Tiefe kommend, | |||
Mit den Massen auf Du und Du, | |||
Selber den Arbeiterkittel tragend, | |||
Der Name hatte nichts zu bedeuten, | |||
War nichts weiter als ein Pfiff, | |||
Worauf man die Ohren spitzte - | |||
Auch ihnen wurde es vielleicht manchmal im Magen wund | |||
Vor der Sorge ums tägliche Brot, | |||
Auch sie wußten vielleicht manchmal nicht, | |||
Woher die Miete nehmen, | |||
Auch ihnen schrie vielleicht ein krankes Kind, | |||
Und eine Mutter lag da, | |||
Löcheriges Gesicht, | |||
Leblos - - - | |||
Auch sie waren vielleicht Väter und Männer, | |||
Krummgespannt vor Verzweiflung, | |||
Aufrechtgeschüttelt wieder vor Empörung, | |||
Wußten nicht, wo ein, wo aus ... | |||
Aber sie kamen ins Rutschen eines Tags, | |||
Ins Rutschen nach oben - | |||
Glitten dahin, | |||
Wie einer, der in den Abgrund saust - | |||
Von Stufe zu Stufe, | |||
Höher, immer höher - - - | |||
Saßen zusammen mit Ministern an einem Tisch, | |||
Die legten ihnen die Hand auf die Schulter, | |||
Zwinkerten vertraulich, | |||
Tranken ihnen zu - | |||
Saßen zusammen mit Polizeipräsident, Bankfachleuten, Industriedirektoren - | |||
"Ganz verständige Menschen eigentlich, was - | |||
Höchst vernünftige Leutchen - | |||
Haben sie uns immer anders vorgestellt, | |||
Damals, als wir noch - - -" | |||
Hatten Audienzen bei Kaiser und Königen, | |||
"Hurra!" riefen sie, katzbuckelten "Majestät", | |||
Schwangen den Zylinderhut "Hoch!" in wippenden Rhythmen. | |||
Da schämten sie sich ihrer Proletarierfaust, | |||
Der schwieligen, | |||
Stülpten sich Glacéhandschuhe über, | |||
Der Frack saß tadellos, | |||
Auf festem Grund standen sie jetzt, | |||
Auf dem Parkettboden, | |||
Und drehten sich | |||
Und scharwenzelten mit vornehmen Damen, | |||
Daß es gar lieblich zu schauen war. | |||
Ihr Name prangte in den Zeitungen. | |||
"Ach Sie sind es, Herr Meyer, der berühmte - " | |||
Überall wurde Herr Meyer erkannt, der Abgeordnete. | |||
Postkarten mit dem Bild des beliebten Abgeordneten | |||
Gab es in jedem größeren Papiergeschäft zu kaufen - | |||
Alle "Illustrierten" waren voll davon. | |||
Sie lernten ihre Vergangenheit hassen. | |||
Sie taten alles gründlich von sich ab, was noch nach Proleten roch, | |||
Sie zogen höchst eigenhändig unter ihre Vergangenheit einen Strich, | |||
Einen roten, blutigen Strich, | |||
Als sie ihre Zustimmung zur Abwürgung des Streiks gaben, | |||
Bald darauf einen anderen Streik selbst abwürgten | |||
Und den Befehl zum Feuern auf die Streikenden unterzeichneten. | |||
Burschen von schwerstem Kaliber wurden sie. | |||
Mit allen Wassern gewaschen, | |||
Mit allen Hunden gehetzt - | |||
Aalglatte Redner, | |||
Geriebene Versammlungsleiter - | |||
Schmierten jeden Tag ein halbes Dutzend Artikel, | |||
Auf Bestellung, glänzendes Honorar - | |||
Eiserne Stirnen, | |||
Schwammige Backen, | |||
Wässerige Fischaugen, | |||
Die ohne zu zucken sehen können, | |||
Wie Tausende, aber Tausende hungernder Proletarier | |||
Langsam in den Fabriken zu Tode gemetzelt werden - - | |||
Sie fühlen sich keineswegs betroffen. | |||
Sie sind durch nichts aus der Ruhe zu bringen. | |||
"Immer kaltes Blut, Genosse!" | |||
Steigen ins Auto, | |||
Flitzen davon, | |||
Haben genug mit Konferenzen zu tun ... | |||
Strecken alle viere von sich | |||
An der Riviera oder in Tirol: | |||
Reichstagsferien. | |||
Lesen wo in der Zeitung | |||
Von einem Aufstand, von einem Sabotageakt | |||
Oder sonst was Gesetzwidrigem - - | |||
Da schießt ihnen das Blut in den Kopf, | |||
Schaum zwischen den Lippen, | |||
Ballen die Faust: | |||
"An die Wand mit der Bande! | |||
Schluß mit dem Gesindel!" | |||
- - - | |||
So sitzen sie, die Bonzen, im fetten Himmel: | |||
Zynisch lächelnd, | |||
Alles wissend, | |||
Nicht von Gewissensbissen oder Konflikten | |||
Angekränkelt - |